Ein Leben, zwei Ideologien
Einmal ist mir die Legende persönlich begegnet. Am 20. Juni 1971 stand Dynamo Dresdens Meistertrainer Walter Fritzsch auf dem Gipfel des Ruhms. Nein, er saß, auf einer Kabinenbank im halleschen Kurt-Wabbel-Stadion, umgeben von dampfenden Spielern, die in einer Regenschlacht gegen den Berliner FC Dynamo den FDGB-Pokal errungen hatten. Sekunden vor Schluss der Verlängerung köpfte Klaus Sammer das 2 : 1. Platzsturm, schwarz-gelbe Ekstase. Im Fanvolksgetümmel ergatterte ich einen Fetzen vom Trikot des Torwarts Kallenbach. Die Ordner, proletarische Senioren, amüsierte mein roter Kassettenrecorder. Sie schoben mich in die Kabine der Sieger. Ich streichelte den Pokal, Haustein, Dörner, Ganzera plauderten in mein zitterndes Mikrofon. Dann spendete mir Walter Fritzsch eine Spielanalyse in westsächsischer Mundart. Ich war selig, der hyperkritische Trainer leidlich zufrieden.
Das ist nun ein halbes Jahrhundert her. Ich war damals fünfzehn, Fritzsch fünfzig Jahre alt. Dreißig Jahre zuvor hatte er als Panzergrenadier und MG-Schütze der Wehrmacht die Sowjetunion überfallen. Bis zum Abpfiff des Hitler-Regimes träumte er vom deutschen »Endsieg«. Nun aber wirkte Genosse Fritzsch als verdienter Aktivist des sozialistischen Leistungssports. Ein Leben, zwei konträre Ideologien?
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